Angst

Den nachfolgenden Text habe ich bereits in einer Serie von Tweets veröffentlicht; da Twitter jedoch eher kurzlebig ist, hier nochmals unverändert als Blogpost

Ich habe Angst.

Vor ziemlich genau einem Jahr hatte ich das zum ersten Mal wegen Corona. Meine größte Sorge war damals, dass die Gefahr nicht erkannt wird, dass die Politik zu spät/gar nicht reagiert, dass Menschen in meinem privaten Umfeld trotz meiner Warnungen sorglos sind.

Damals schlief ich nur ein, zwei Wochen sehr unruhig. Dann reagierte die Politik zum Glück schnell und gut, man konnte in China schon sehen, dass die Maßnahmen wirken, man also nicht hilflos gegen die Ausbreitung ist, auch die Sterblichkeit zum Glück nicht soooo hoch ist.

Damals wusste ich auch, was ich selbst tun kann: Mitarbeiter ins Homeoffice schicken, privat alle Kontakte vermeiden, um die Familie zu schützen, via Twitter zur Aufklärung beitragen versuchen.

Das war vor einem Jahr.

Jetzt gibt es Daten über Daten, jeder weiß um die Gefahren – und ich fühle eine hilflose Angst. Denn: obwohl Corona nicht mehr die „unbekannte neue Gefahr“ ist, obwohl längst wissenschaftlich erwiesene Fakten in Hülle und Fülle existieren, obwohl es genau bekannt ist, wie man die Ausbreitung eindämmen kann (und wie nicht), passiert das genaue Gegenteil. Die Politik hat resigniert, die Menschen sind des Lockdowns müde, die tausenden Toten nur noch Statistik, die Gemüter abgestumpft.

Und ich habe Angst. Denn seit gestern ist der Kampf für den Schutz von Familie und Mitarbeitern noch schwerer geworden.

Wenn nun alles geöffnet wird, wer bin da ich, mich zum immerwährenden Mahner aufzuspielen? Mitarbeiter davon abzuhalten, endlich mal wieder ins Büro zu kommen? Kinder davon abhalten, endlich wieder regelmäßig ihresgleichen zu treffen? Die eigene Familie bedrängen, nun erst Recht jegliche Kontakte zu vermeiden, soweit es nur irgendwie geht?

Auch ich bin des Lockdowns müde, auch ich würde gerne wieder Freunde treffen, mit Geschäftspartnern essen gehen, aus meinem Bürokeller raus kommen und auf Konferenzen networken.

Für mich selbst verzichte ich weiter. Aber welchen Sinn ergibt das denn noch, wenn drumherum überall die Dämme brechen? Wozu soll ich weiter darum kämpfen, wenigstens ein paar Alibi-Barrieren aufrecht zu erhalten, wenn die Risiken sowieso auch überall sonst bestehen, quasi um die Dämme herum von hinten anbranden?

Ich habe Angst. Denn zum ersten Mal überwiegt in mir das Gefühl, dass es mir nicht mehr möglich ist, mir nahestehende Menschen zumindest halbwegs zu schützen. Solange das ging – oder man jedenfalls diese Illusion wahren konnte – war es erträglich, hielt sich die Sorge in Grenzen.

Vor einem Jahr habe ich gesagt, ich wünschte nichts mehr, als mich zu irren bzgl der unbekannten Corona-Gefahr. Leider kam es anders. Nun habe ich Angst, erneut Recht zu behalten. Absurderweise nun aber bzgl der klar umrissenen Prognose zahlloser Wissenschaftler und Mathe-Nerds.

Und wer nun denkt „ach, lasst den alten Schwarzseher doch jammern“: jaaaa so würde ich es auch gerne abtun. Aber wer mich kennt, der weiß, dass ich von Natur aus optimistisch bin – anders ist es btw kaum möglich, ein Unternehmen aufzubauen 😉

Trotzdem habe ich Angst. Nicht um mich, sondern um… tja, euch. Oder so.

Bleibt gesund.

Über kungler

Finanzanalyst, Immobilienhai und Unternehmer mit Idealen.
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