„Es ist kompliziert.“ Diese Aussage kennt jeder von mir, der mich auf das Thema Wertsicherungsklauseln anspricht und insbesondere darauf, was das denn für die DEFAMA im kommenden Monat, Quartal oder Geschäftsjahr an zusätzlichen Mieten bedeutet. Deshalb nehme ich mir heute einmal die Zeit, ein paar der Mechanismen und Besonderheiten zu erklären, die in diesen Klauseln stecken.
Zunächst einmal gibt es nicht DIE Standard-Wertsicherungsklausel. Im gewerblichen Mietrecht kann man (fast) alles in Verträge schreiben, was man sich eben ausdenkt – und je nach Mieter und Vermieter, zwischen denen der ursprüngliche Mietvertrag geschlossen wurde, ist genau das auch oftmals passiert. Sprich: Da wir mit dem Kauf unserer Objekte in der Regel in bereits bestehende Mietverträge eintreten, gibt es in unserem Portfolio gefühlt fast genauso viele verschiedene Klauseln wie wir Verträge haben.
Genau deshalb – aufgrund der Übernahme verschiedenster Klauseln, die zwischen anderen vereinbart wurden – haben wir wohl einen recht umfassenden Einblick darüber, was es in unserem Segment so alles an Spielarten gibt. Hätten wir sämtliche Verträge selbst abgeschlossen, wären vermutlich deutlich weniger Varianten herausgekommen, denn wir selbst haben natürlich einen eigenen „Standard“. Wobei selbst der durch gewünschte Individual-Lösungen einzelner Mieter zu einer Vielzahl unterschiedlicher Ergebnisse führt.
Variable Faktoren sind dabei insbesondere:
1.) Gewählter Index
2.) Startzeitpunkt
3.) Veränderungsschwelle
4.) Anpassungsquote
5.) Mietanpassungsabstand
6.) Mietanpassungszeitpunkt
7.) Exotisches
Ich gehe diese Punkte im Folgenden alle durch, ohne jedoch auch nur ansatzweise den Anspruch darauf erheben zu wollen, dabei sämtliche möglichen Formulierungen oder Eventualitäten angesprochen zu haben.
1.) Gewählter Index
Der bekannteste und mit Abstand am häufigsten verwendete Index ist der klassische Verbraucherpreisindex („VPI“), dessen Veränderung in den Medien als Inflation bezeichnet wird. In den für uns typischen Immobilien wird er in schätzungsweise 95% aller Mietverträge verwendet.
Einige namhafte Filialisten verwenden jedoch standardmäßig – oder haben dies zumindest früher als Standard vorgegeben – einen anderen Index. Öfter anzutreffen sind hier der „Index der Einzelhandelspreise“ oder seine Unter-Indizes „WZ 47“ und WZ 47.1“. Ersterer bildet die Preisentwicklung von „Einzelhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen)“ ab, letzterer den „Einzelhandel mit Waren verschiedener Art (in Verkaufsräumen)“. Ein weiterer Unter-Index ist hier der „Kraftfahrzeughandel“, der aber zumindest in unseren Mietverträgen nirgends verwendet wird. Allerdings haben wir auch keine Autohäuser oder Werkstattbetreiber als Mieter.
Alle genannten Indizes werden monatlich ermittelt und vom Statistischen Bundesamt (kurz: DESTATIS) veröffentlicht. Jedoch wird für die Mietverträge in vielen Fällen nicht der Monatswert, sondern der Jahresdurchschnitt verwendet. Das ist einer der Gründe dafür, dass wir aktuell über einen „Vorrat“ an Indexierungen verfügen. So ließ sich natürlich schon lange klar absehen, dass der Jahresindex 2022 bei vielen Mietverträgen eine Indexanpassung auslösen würde – aber geltend machen konnten wir diese erst nach dessen Veröffentlichung im Januar 2023.
Und selbst wenn die Verbraucherpreise ab sofort nicht weiter steigen, kann schon jetzt als sicher gelten, dass der Jahresindex 2023 nochmals erneut deutlich höher liegen wird. Aber erst nach dessen Veröffentlichung im Januar 2024 können wir die entsprechenden Mietanpassungen geltend machen.
2.) Startzeitpunkt
Logischer Basiswert für die Wertsicherung der Miete ist natürlich der Mietvertragsbeginn. Sollte man jedenfalls denken. In vielen Fällen wird jedoch eine index-neutrale Zeit vereinbart. Hier haben wir zwischen einigen Monaten und 10 Jahren (sic!) schon so ziemlich alles gesehen. Bei großen Filialisten üblich sind nach Einzug oder einer größeren Umbau-Maßnahme mit entsprechender Mieterhöhung meist zwei bis drei Jahre.
Nicht selten versuchen Mieter auch, im Zuge von Verhandlungen zur Vertragsverlängerung den Indexstand wieder zu „nullen“. Sprich: anstatt einer Mietsenkung wird in einem Nachtrag zum Mietvertrag vereinbart, dass der Ausgangswert für die Berechnung der Wertsicherung neu auf den aktuellen Monat oder auch beispielsweise den Mai des kommenden Jahres festgelegt wird. In der Praxis führt dies dazu, dass jeder einzelne Mietvertragsnachtrag überprüft werden muss, ob eine solche Regelung zu einer temporären Aussetzung des Index führte.
3.) Veränderungsschwelle
Um nicht ständig Veränderungen der Miethöhe vornehmen zu müssen, wird sehr häufig eine Mindestveränderung des zugrunde liegenden Index vereinbart. Am häufigsten wird hier ein Anstieg von mindestens (oder mehr als) 10% gewählt, aber auch 4%, 5%, 7,5% oder 15% kommen immer wieder vor. Teilweise wird statt einer prozentualen Veränderung ein Anstieg um X Punkte vereinbart, teilweise wurde eine frühere Punkte-Schwelle irgendwann in einen Prozentwert umgerechnet – was dann zu „krummen“ Veränderungsschwellen wie 5,84% führt.
Dass insbesondere große Filialisten fast immer Veränderungsschwellen in ihre Verträge aufnehmen lassen, ist ein zweiter großer Faktor für den schon erwähnten Vorrats-Effekt. Insbesondere wenn ein Jahresindex beispielsweise mit einer 10%-Schwelle verknüpft und auf Basis des 2022er-Jahresindexwertes knapp verfehlt wurde, ist eine Mietanpassung schon jetzt quasi unvermeidlich – kann aber noch nicht geltend gemacht werden.
4.) Anpassungsquote
In vielen Fällen wird die Miete nicht 1:1 im Verhältnis des zugrunde gelegten Index angepasst, sondern in einem bestimmten Prozentsatz der Veränderung. Je nach Mieter und Verhandlungsergebnis sind Quoten von 50%, 60%, 65%, 75% oder 80% anzutreffen. Vereinzelt gibt es auch Vereinbarungen, dass eine Veränderung bis beispielsweise 5% der Indexveränderung 1:1 umzusetzen ist, darüber hinaus jedoch nur noch zur Hälfte.
Ebenfalls öfter zu lesen sind fixe Anpassungsschritte bei Erreichen einer vorgegebenen Veränderungsstufe, also beispielsweise 6% Mietanpassung bei einer Veränderung des Index um mindestens 10%. Ein Anstieg des Index um 10%, um 10,4% oder um 11,2% führt hier also zur gleichen fixen Mietanpassung. Die rechtliche Wirksamkeit dieser speziellen Formulierung ist allerdings fraglich (das Warum würde hier zu weit führen). Verwendet wird sie trotzdem vergleichsweise oft.
5.) Mietanpassungsabstand
Ein weiterer – und aktuell vielleicht der größte – Faktor für Vorrats-Effekte ist die Regelung, wie oft die Wertsicherung zu einer Mietanpassung herangezogen wird. Teilweise ergibt sich dies lediglich durch die Veränderungsschwelle, was zu mehreren Anpassungen binnen eines Jahres führen kann (und beim aktuellen Inflationsniveau auch tut). Teilweise wird die Miete jährlich zu einem festen Zeitpunkt angepasst, also beispielsweise zum 1.1. – wodurch heute schon absehbar ist, dass es zu einer Mieterhöhung für 2024 kommen wird, unklar ist nur noch, in welchem Umfang.
In vielen Fällen werden aber auch Mindestzeitabstände von zwei, drei oder gar fünf Jahren ab der letzten Mietanpassung vereinbart. Das spielte in Zeiten einer Inflation von 1,5 bis 2% keine größere Rolle, weil die Veränderungsschwelle von 10% sowieso erst viel später erreicht wurde. Bei zuletzt über 8% Inflationsrate könnten manche Mietverträge, bei denen erst im Sommer 2021 eine Indexmieterhöhung durchgeführt wurde, aber theoretisch jetzt schon wieder angepasst werden. Ist ein Mindestabstand von 24 oder 36 Monaten vereinbart, verschiebt sich die nächste Mieterhöhung aber auf beispielsweise August 2023 – oder sogar ins Jahr 2024, vereinzelt noch später.
Schon jetzt hat sich bei uns ein erklecklicher Vorrat an Mieterhöhungen aufgrund dieser Mindestabstands-Klauseln gebildet. Dieser löst sich im Laufe der Zeit „schleichend“ auf – jeden Monat erreichen einzelne Verträge die entsprechenden Zeitabstände. Nicht selten mit dann gleich sehr deutlichen Mietanpassungen, da etwaige Anpassungsschwellen teils schon längst erreicht sind. Je länger die Inflationsrate auf dem aktuellen hohen Niveau bleibt, desto größer wird der angesammelte Vorrat hieraus – eine typische 10%-Anpassungsschwelle wird ja gerade fast jährlich erreicht.
6.) Mietanpassungszeitpunkt
Sind alle anderen Voraussetzungen eingetreten (Indexanstieg, Veränderungsschwelle, Mindestanpassungsabstand), bleibt noch eine letzte Variable: Ab welchem Datum gilt denn nun die neue Miethöhe? Teilweise gilt diese automatisch ab dem Monat, in dem der Index die vereinbarte Veränderung erreicht hat. Oder ab dem Monat nach deren Veröffentlichung. Oder ab dem fixen Zeitpunkt, zu dem eine jährliche Anpassung vereinbart wurde.
Teilweise gilt die neue Miethöhe aber auch erst ab dem 1. des Monats, nachdem die Mietanpassung berechtigterweise eingefordert wurde. Oder ab dem 1. des Folgequartals. Oder ab dem 1. des Folgejahres. Sprich: wer versäumt, die erhöhte Miete sofort geltend zu machen, bekommt die höhere Miete erst später. Umgekehrt würde bei einem Indexrückgang das gleiche für den Mieter gelten – die reduzierte Miete gilt erst, wenn sie schriftlich geltend gemacht wurde.
In der Praxis versäumen viele Vermieter, die möglichen Mietanpassungen fristgerecht geltend zu machen. Auch weil die Regelungen insgesamt, wie glaube ich hinreichend aufgezeigt, unglaublich komplex und verschachtelt sind. Und dabei haben wir noch nicht einmal die wirklich exotischen Fälle erwähnt…
7.) Exotisches
Wem all das zu einfach war, für den geht es gerne noch komplizierter. Wobei hier nur eine Handvoll Sonderfälle erwähnen seien, die uns teilweise erst ein einziges Mal (und zum Glück nicht alle in unserem eigenen Bestand) begegnet sind.
Eine relativ gebräuchliche Formulierung ist, statt eines vorgegebenen Automatismus im Vertrag eine „Verhandlung zur Anpassung“ zu vereinbaren, wenn eine bestimmte Indexveränderung eingetreten ist. Kommt dann keine einvernehmliche Lösung zustande, soll meist ein Gutachter hinzugezogen werden. Wie verbindlich dessen Urteil dann wiederum ist, wenn das Ergebnis einer Vertragspartei nicht passt… ist unterschiedlich.
Aufgrund der niedrigen Inflation lange Zeit faktisch irrelevant waren auch Klauseln, in denen eine absolute Mietveränderung durch mehrere Indexmietanpassungen nacheinander zu bestimmten Rechten führt – in der Regel für den Mieter. So kann dies beispielsweise dazu führen, dass eine Mietsteigerung um insgesamt mehr als 50% oder 100% gegenüber der Ursprungsmiete zu einem Sonderkündigungsrecht des Mieters führt. Oder die Miete wird schlicht auf diesem Niveau dauerhaft gedeckelt.
Insbesondere die letztgenannte Formulierung darf man aber getrost als exotische Ausnahme betrachten. Wobei sie aus Mietersicht natürlich an Attraktivität gerade enorm gewinnt – wer weiß, ob künftig vielleicht öfter einmal versucht wird, so etwas in einen Mietvertrag hineinzuverhandeln. Da für Vermieter aber die Aufmerksamkeit für Wertsicherungsklauseln ebenso stark zugenommen hat, dürfte es meist beim vergeblichen Versuch bleiben.
Soweit ein kurzer (hust) Überblick über die Thematik „Wertsicherung von Gewerbemieten“. Ich hoffe, nun ist jedem Leser und Investor klar, warum ich es meist bei meiner anfänglichen Aussage belasse – und höchstens punktuell noch zwei, drei wesentliche Faktoren beispielhaft erläutere. Man möge uns vor dem Hintergrund der aufgezeigten Komplexität des Themas verzeihen, dass wir seitens DEFAMA auch künftig höchstens eine ungefähre Dimension hinsichtlich der Auswirkungen auf unsere Gesamterträge nennen.
Wann und wie stark sich der Indexierungs-Vorrats ganz genau in den Zahlen der DEFAMA zeigt, ist ja letztlich auch nachrangig. Entscheidend ist vor allem, dass unsere Investoren dank 90% Anteil an wertgesicherten Mieterträgen in Verbindung mit der langjährigen Zinsbindung unserer Finanzierungen im aktuellen Marktumfeld sehr ruhig schlafen können.